Stell dir vor, du bist in einem leeren Raum eingesperrt, und ein verrückter Wissenschaftler hat dir nur zwei Dinge gelassen: ein Telefon und die Geschäftsbedingungen von Apple. Was würdest du tun? Wahrscheinlich würdest du instinktiv zum Telefon greifen, denn es bietet die spannendste Ablenkung. Doch was passiert, wenn der Wissenschaftler noch verrückter wird und dir das Telefon wegnimmt? Nach einer Weile des Umherwanderns würdest du dich vermutlich aus purer Langeweile an die Geschäftsbedingungen wagen. Aber warum ist das so?

Langeweile ist ein Zustand, den die meisten von uns um jeden Preis vermeiden wollen. Heutzutage sind wir zwar seltener gelangweilt als unsere Vorfahren, aber wir fürchten die Langeweile mehr als je zuvor. In unserer modernen Welt gibt es unzählige Möglichkeiten, sich zu beschäftigen – soziale Medien, Videos, Spiele – und dennoch ist die Angst vor einem Moment der Untätigkeit allgegenwärtig.

Diese Flucht vor der Langeweile prägt unseren Alltag. Ob du in der Schlange stehst, zur Arbeit pendelst oder auf einer Parkbank sitzt – dein Smartphone ist immer griffbereit. Bevor du es merkst, bist du tief in eine Diskussion darüber verwickelt, ob Batman Superman besiegen könnte.

Der berühmte Investor Ray Dalio sagte einmal, er glaube, dass Pascal recht hatte, als er meinte, dass alle Probleme des Menschen daher rühren, dass er nicht alleine in einem Raum sitzen kann, ohne sich zu beschäftigen. Diese Aussage trifft den Kern der Sache: Wir alle haben das Bedürfnis nach ständiger Stimulation, und sobald diese Stimulation fehlt, greifen wir nach jedem Strohhalm, um der Langeweile zu entkommen.

Doch Langeweile ist nicht nur unangenehm – sie kann auch sehr nützlich und manchmal sogar notwendig sein, um Großes zu erreichen. Wenn du dich langweilst, schaltet dein Gehirn in einen Modus, den ich als „Herumwandermodus“ bezeichne. In diesem Zustand erlebst du oft einen plötzlichen Schub an Kreativität. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist Isaac Newton: Während er unter einem Apfelbaum saß, fiel ihm plötzlich ein Apfel auf den Kopf – und so wurde die Idee der Schwerkraft geboren. Wäre Newton in der heutigen Zeit mit einem Smartphone ausgestattet gewesen, hätte er vielleicht einfach weiter YouTube-Videos über Quantenphysik geschaut und die bahnbrechende Entdeckung nie gemacht.

Ein anderes Beispiel ist Steve Jobs, der als großer Verfechter der Meditation bekannt war. In seinem Haus gab es einen Raum, der fast leer war, und in dem er täglich meditierte. Es wird gesagt, dass einige seiner besten Ideen während dieser meditativen Phasen entstanden sind. Dies zeigt, dass Langeweile nicht nur Kreativität fördert, sondern auch dazu beitragen kann, Klarheit zu finden und neue Wege zu entdecken.

Langeweile hat jedoch nicht nur kreative Vorteile; sie kann dir auch lehren, dass du nicht ständig beschäftigt sein musst. In der daoistischen Philosophie gibt es das Konzept des „Wu Wei“, das als „Nichthandeln“ oder „Nicht-Erzwingen“ übersetzt wird. Es besagt, dass die Natur ihren eigenen Weg hat, Dinge zu regeln, und dass wir diesem natürlichen Fluss folgen sollten, anstatt zu versuchen, alles zu kontrollieren. Laozi, der Begründer des Daoismus, lebte nach diesem Prinzip: Er lehnte es ab, dem Kaiser zu dienen oder als Bauer zu arbeiten, und selbst als er schließlich das Dao verfasste, tat er dies nur widerwillig.

Ein interessanter Aspekt der Langeweile ist, dass sie relativ ist. Alles, was du tust, kann auf einer Skala der „Spaßigkeit“ eingeordnet werden, abhängig davon, wie stimulierend es im Vergleich zu anderen Aktivitäten ist. Wenn du beispielsweise drei Optionen hast – Arbeiten, auf deinem Telefon spielen und Lesen – wirst du wahrscheinlich zum Telefon greifen, weil es die aufregendste Möglichkeit darstellt. Doch wenn du das Telefon aus dem Bild nimmst, wird das Lesen zur attraktivsten Option.

In dieser Hinsicht kann Langeweile als Werkzeug genutzt werden, um dir zu helfen, die langweiligeren Aufgaben zu erledigen. Wenn du dich so langweilst, dass selbst die monotonsten Aufgaben plötzlich interessant erscheinen, hast du die Langeweile für dich genutzt. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass Meditation, die uns in einen Zustand tiefer Ruhe versetzt, tatsächlich zu einem großen Anstieg der Hirnaktivität führen kann. Mit der Zeit kann diese Praxis helfen, die Fähigkeit zu entwickeln, in Momenten der Langeweile nicht sofort nach Ablenkungen zu greifen, sondern die Langeweile zu nutzen, um dich auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Langeweile nicht dein Feind ist, sondern ein verborgener Schatz, der Kreativität freisetzen und dich zu größeren Leistungen inspirieren kann. Indem du dir erlaubst, dich zu langweilen und nicht immer nach sofortiger Stimulation zu suchen, kannst du deinen Tag strukturieren und die Langeweile zu deinem Vorteil nutzen. Also, das nächste Mal, wenn du das Verlangen verspürst, dein Telefon zu greifen, um dich abzulenken, halte einen Moment inne und heiße die Langeweile willkommen. Wer weiß, vielleicht fällt dir dabei eine bahnbrechende Idee ein – wie einst Newton unter dem Apfelbaum.

Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=VIZFPv2Z_vs