Am 8. Mai 1945 hatte die Sowjetunion Berlin vollständig erobert. Der Rauch der letzten Gefechte verzog sich langsam, und die einst stolze deutsche Hauptstadt lag in Trümmern. Über dem zerstörten Reichstag flatterte triumpfierend die rote sowjetische Flagge. Dies markierte das Ende des dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte und gleichzeitig den Beginn einer neuen Ära, geprägt von Unsicherheit, Misstrauen und dem Beginn des Kalten Krieges.

In den Wochen nach der Eroberung Berlins, als die Freudenfeiern verstummten und die Realität der Nachkriegsordnung Einzug hielt, standen die sowjetischen Führer vor einer strategischen Entscheidung von weitreichender Bedeutung. Trotz der tiefen Differenzen mit den USA, dem Vereinigten Königreich und Frankreich entschied sich die Sowjetunion, den westlichen Alliierten Westberlin zu überlassen. Auf den ersten Blick mag dieser Schritt verwirrend erscheinen, doch er war das Ergebnis einer komplexen Mischung aus pragmatischen Überlegungen und langfristigem strategischen Kalkül. Bald darauf mündete diese Entscheidung in einen erbitterten Kampf der Systeme, und die Teilung der deutschen Hauptstadt wurde zu einem Symbol des Kalten Krieges.

Warum überließ die Sowjetunion also den westlichen Alliierten die Hälfte von Berlin? Welches strategische Kalkül versteckte sich dahinter und warum führte diese Entscheidung Berlin in den Abgrund? All diese spannenden Fragen schauen wir uns nun genauer an.

Nachdem die Sowjetunion bis zum Ende des Jahres 1944 einen Großteil Osteuropas erobert hatte, begann für Stalin die wohl wichtigste Offensive: der Einmarsch in Berlin. Stalin hatte bereits früh das oberste Ziel auf die Einnahme der deutschen Hauptstadt gelegt. Dies hatte verschiedene Gründe. Zum einen galt die Stadt als politisches Zentrum des Naziregimes und verkörperte alles, was Stalin verabscheute. Zudem konnte man mit der Einnahme Berlins den Krieg möglichst schnell beenden.

Ein weiterer, bereits über den Krieg hinausreichender Grund spielte eine wichtige Rolle: Auf den Alliierten Konferenzen wurde eine langsame Spaltung zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion deutlich. Als sich der Sieg über Deutschland abzeichnete, begannen alle Mächte, sich für die Zeit danach in Stellung zu bringen. Auf dem Schlachtfeld bedeutete das, möglichst viel Territorium in den eigenen Einflussbereich zu bekommen, um bei den Friedensverhandlungen ausreichend Verhandlungsmasse zu besitzen. Gerade die Hauptstadt des Hitlerregimes war da natürlich eine reiche Beute. Gegen Ende des Krieges entwickelte sich ein Wettlauf um Berlin zwischen den Amerikanern, Briten und der Sowjetunion. Stalin war besorgt, die Westalliierten könnten Abkommen treffen, die die sowjetischen Interessen in Europa untergraben könnten. Doch die Kontrolle über Berlin würde ihm ermöglichen, einen größeren Einfluss auf alle zukünftigen Entscheidungen zu haben.

Ohne Rücksicht auf Verluste schickte Stalin mehrere Millionen Soldaten in Richtung Berlin. Seine Taktik hatte Erfolg, und er konnte innerhalb kürzester Zeit immer näher an Berlin heranrücken. Ende April 1945 starteten die sowjetischen Streitkräfte ihre finale Offensive. Trotz heftiger deutscher Gegenwehr gelang es den sowjetischen Truppen, die Verteidigung zu durchbrechen und Berlin einzukesseln. Am 2. Mai 1945 kapitulierte die deutsche Garnison in Berlin, und Karlshorst wurde zum Schauplatz der offiziellen Kapitulationszeremonie am 8. Mai, die das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa markierte. Stalin konnte sich als großer Sieger inszenieren, und die deutsche Hauptstadt war nun vollends in seiner Hand.

Die Westalliierten waren ebenfalls erfreut über den Sieg, doch die Siegesfeiern wurden durch den aufziehenden Kalten Krieg getrübt. Die starken Unterschiede zwischen den Systemen zeichneten sich schnell ab, und viele US-Beamte fürchteten, dass die Sowjetunion ihren Einfluss weiter ausbauen könnte. Alle Hauptsiegermächte trafen sich zur Potsdamer Konferenz vom 7. Juli bis zum 2. August 1945, um die Nachkriegsordnung Europas zu regeln. Joseph Stalin, Winston Churchill und Harry S. Truman trafen erstmals nach dem Krieg aufeinander. Frankreich war nicht an den Gesprächen beteiligt, obwohl es später Besatzungsmacht werden sollte. Doch bereits hier zeichnete sich ein tiefes Misstrauen ab. Viele amerikanische Unterhändler fürchteten, Stalin würde Berlin nie wieder abgeben. Doch für Stalin war die deutsche Hauptstadt vor allem Verhandlungsmasse, um seine weiteren Ziele zu erreichen. Er wusste, wie wichtig es besonders für die Amerikaner war, ebenfalls Einfluss auf die deutsche Hauptstadt auszuüben, und so konnte er ihnen zahlreiche Zugeständnisse abringen.

Im Gegenzug willigte er ein, Berlin sowie ganz Deutschland in vier Besatzungszonen aufzuteilen. Er kalkulierte damit, dass es zu Konflikten innerhalb der verschiedenen westlichen Besatzungszonen kommen könnte, von denen die Sowjetunion profitieren würde. Doch in diesem Punkt sollte er sich irren. Bereits 1947 vereinigten sich die amerikanische und britische Zone zur Bizone, und auch die französische Zone schloss sich später an, wodurch die Trizone entstand. Berlin bestand nun also aus zwei Zonen: Westberlin und Ostberlin.

Im Juni 1948 führten die Westalliierten in ihren Zonen sowie in Westberlin eine neue Währung ein, die D-Mark. Sie war die Grundlage für den Marshallplan, durch den Deutschland innerhalb kürzester Zeit wieder aufgebaut werden sollte. Die Sowjetunion sah diese Währungsreform als einen einseitigen Schritt, der Deutschland wirtschaftlich vereinen könnte und den Westteil des Landes sowie Westberlin wirtschaftlich stärken würde. Die Sowjets befürchteten dadurch stärkeren westlichen Einfluss in Berlin.

Die unterschiedlichen Visionen für das Nachkriegsdeutschland führten zu einer Pattsituation bei den weiteren Alliierten Verhandlungen. Für Berlin kam es noch schlimmer: Die Stadt lag tief in der sowjetischen Zone, und Westberlin war von sowjetischem Territorium umgeben. Um eine angemessene Verwaltung zu gewährleisten, wurden den Westalliierten auf der Potsdamer Konferenz Korridore zu Land und Wasser zugesichert. Doch genau diese blockierte Stalin und schnitt Berlin somit von der Außenwelt ab.

Die USA und Großbritannien waren entschlossen, Stalin entgegenzutreten. Sie organisierten eine gewaltige Luftbrücke, um die 2,5 Millionen Einwohner Westberlins mit Lebensmitteln, Kohle und anderen notwendigen Gütern zu versorgen. Die Operation stellte eine enorme logistische Herausforderung dar. Auf dem Höhepunkt der Luftbrücke im Frühjahr 1949 landete etwa alle 90 Sekunden ein Flugzeug in Westberlin. Trotz schwieriger Wetterbedingungen und der Bedrohung durch sowjetische Flugzeuge gelang es den Alliierten, Westberlin fast ein Jahr lang kontinuierlich zu versorgen.

Die Luftbrücke wurde zu einem Symbol des Widerstands gegen die sowjetische Blockade. Auch Stalin erkannte dies schließlich und beendete die Blockade am 12. Mai 1949, als er einsah, dass sein Plan gescheitert war. Die Blockade verstärkte jedoch die Spaltung zwischen Ost und West und trug zur Formalisierung der Teilung Deutschlands bei. Wenige Monate später wurde die Bundesrepublik Deutschland im Westen gegründet, gefolgt von der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik im Osten. Berlin blieb geteilt, und die Spannungen um die Stadt blieben ein zentraler Konfliktpunkt im Kalten Krieg.

Berlin blieb auch nach der Blockade von 1948/49 ein Brennpunkt des Kalten Krieges. Die politische und ideologische Konfrontation zwischen den westlichen Alliierten und der Sowjetunion intensivierte sich in den folgenden Jahren und fand in Berlin ihren sichtbarsten Ausdruck.

Mit der Gründung der beiden deutschen Staaten, der Bundesrepublik Deutschland (BRD) im Westen und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Osten, manifestierte sich die Teilung Deutschlands auch politisch. Die Hauptstadt Berlin, tief im sowjetischen Sektor gelegen, wurde zum geteilten Symbol dieser neuen Weltordnung. Während Westberlin als Schaufenster des Westens galt und von den Westmächten wirtschaftlich und politisch unterstützt wurde, sollte Ostberlin als Hauptstadt der DDR die Errungenschaften des Sozialismus repräsentieren.

Die Spannungen eskalierten weiter, als im August 1961 die DDR-Regierung unter Walter Ulbricht, unterstützt von der Sowjetunion, den Bau der Berliner Mauer begann. Diese physische Barriere trennte Familien, Freunde und Gemeinschaften und war das sichtbarste Zeichen der Teilung Europas und der Welt. Der Bau der Mauer sollte die Massenflucht aus dem Osten in den Westen eindämmen, die das Regime der DDR destabilisierte. In den ersten Jahren nach dem Krieg hatten viele Ostdeutsche das sozialistische System durch die Flucht in den Westen verlassen. Die Mauer sollte diese Bewegung stoppen und die Herrschaft der SED in der DDR sichern.

Der Bau der Berliner Mauer war ein dramatischer Höhepunkt des Kalten Krieges und wurde weltweit als Symbol für die Unterdrückung und die Unfreiheit im Osten wahrgenommen. Sie stand aber auch für die Entschlossenheit des Westens, Berlin als freie Stadt zu erhalten. John F. Kennedys berühmter Besuch in Westberlin im Jahr 1963 und seine Worte „Ich bin ein Berliner“ unterstrichen die Solidarität der westlichen Welt mit den Bürgern Westberlins und ihre Entschlossenheit, die Freiheit der Stadt zu verteidigen.

In den folgenden Jahrzehnten blieb Berlin ein Pulverfass. Mehrmals drohten Konflikte um die Stadt in eine offene Konfrontation zwischen den Supermächten zu eskalieren. Besonders die Krise um die Stationierung von Atomwaffen in Europa und der anschließende NATO-Doppelbeschluss zeigten, wie angespannt die Lage war. Doch gleichzeitig entwickelte sich in beiden deutschen Staaten ein gewisser Alltag im Schatten der Mauer. Ost- und Westberliner lernten, mit der Teilung zu leben, auch wenn die Sehnsucht nach Wiedervereinigung nie erlosch.

Die 1980er Jahre brachten jedoch einen neuen Wind. In der Sowjetunion leitete Michail Gorbatschow mit seinen Reformen Perestroika und Glasnost eine neue Ära der Offenheit und des Wandels ein. Diese Veränderungen blieben nicht ohne Auswirkungen auf die anderen sozialistischen Staaten Osteuropas. In der DDR führte der zunehmende Druck von innen und außen zu einer politischen Krise. Die Fluchtbewegungen über Ungarn und die Tschechoslowakei, die zunehmenden Montagsdemonstrationen in Leipzig und anderen Städten sowie der wachsende Widerstand gegen das Regime setzten die DDR-Führung unter Erich Honecker massiv unter Druck.

Am 9. November 1989 geschah schließlich das Unfassbare: Die Berliner Mauer fiel. Dies geschah nach einer missverständlichen Ankündigung der Reisefreiheit durch das Politbüromitglied Günter Schabowski. Tausende Ostberliner strömten zu den Grenzübergängen und forderten die Öffnung der Grenzen. Die völlig überraschten Grenzsoldaten gaben schließlich nach, und die Menschen konnten erstmals seit Jahrzehnten wieder frei von Ost nach West gelangen.

Der Fall der Mauer markierte das Ende des Kalten Krieges und war der Beginn einer neuen Ära in der deutschen Geschichte. Die Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 war ein historisches Ereignis, das die Teilung des Landes und der Hauptstadt beendete. Berlin wurde wieder zur Hauptstadt des vereinten Deutschlands und begann, seine Rolle als pulsierende Metropole in einem geeinten Europa neu zu definieren.